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Nachweis der Fahruntüchtigkeit nicht allein schon aus einem positiven Blutwirkstoffbefund hinsichtlich Betäubungsmittelkonsums

Anders als bei Alkoholfahrten ergibt sich für eine Verurteilung wegen einer Straftat nach § 316 StGB in Abgrenzung zu § 24a Abs. 2 StVG der Nachweis der Fahruntüchtigkeit nicht allein schon aus einem positiven Blutwirkstoffbefund hinsichtlich Betäubungsmittelkonsums, vielmehr bedarf es regelmäßig weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen.

Auszugsweise:
Im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit in § 316 Abs. 1 StGB („… im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses … anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen …“) liegt regelmäßig keine einfache Sach- und Rechtslage vor.

Die Bestimmung des Vorliegens drogenkonsumbedingter Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 316 StGB kann einerseits nicht losgelöst von medizinischen und toxikologischen Erkenntnissen getroffen werden, ist andererseits aber Rechtsfrage, deren Bewertung in erster Linie richterliche Aufgabe ist. Fahruntüchtigkeit setzt danach voraus, dass die Gesamtleistungsfähigkeit eines Fahrzeugführers, namentlich in Folge von Enthemmung oder geistig-seelischer bzw. körperlicher Ausfälle, so weit herabgesetzt ist, dass er nicht mehr fähig ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr über eine längere Strecke auch bei plötzlichem Eintritt schwieriger Verkehrslagen sicher zu steuern (BGH, Beschluss vom 3. November 1998, Az.: 4 StR 395/98, m.w.N.).

Anders als für die Wirkungen von Alkohol gibt es für Drogen bisher keine wissenschaftlich gesicherten Erfahrungswerte, die es erlauben würden, ab Erreichung bestimmter Werte von Drogen bzw. deren Abbauprodukten im Blut allgemein von Fahruntüchtigkeit im ausgeführten Sinn auszugehen (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N., zum damaligen Erkenntnisstand; zum ungebesserten aktuellen Erkenntnisstand vgl. Fischer § 316 Rn. 39 ff. m.w.N.). Erst Recht gilt das unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Abbauverläufe bei den verschiedenen Drogen und der teilweise zusätzlichen erheblichen Differenzierungen zwischen dem Abbau bei nur gelegentlichem bzw. bei regelmäßigem Konsum etwa bei Cannabis für die Möglichkeit einer Rückrechnung von im Blut festgestellten Werten von Drogen bzw. deren Abbauprodukten auf einen vor der Blutentnahme liegenden Tatzeitpunkt (vgl. Dr. rer. nat. Dipl. Chem. Rochholz und Prof. Dr. med. Dr. jur. Kaatsch zu rechtsmedizinischen Hintergründen von Blutentnahmen bei Straßenverkehrsdelikten in SchlHA 2010, 308, 309 f.).

Allein die Feststellung von Drogen bzw. deren Abbauprodukten im Blut eines Fahrzeugführers lässt noch keinen Schluss auf das Vorliegen einer Fahruntüchtigkeit in dem ausgeführten Sinn zu. Selbst bei so genannten harten Drogen wie Heroin und Kokain, die generell-abstrakt geeignet sind, die Fahrtüchtigkeit aufzuheben, belegt ein positiver Blut-Wirkstoff-Konzentrationsbefund noch nicht, dass eine solche Annahme auch individuell-konkret unter Ausschluss vernünftiger Zweifel gerechtfertigt ist (vgl. BGH, a.a.O.).

Dass ein Drogennachweis im Blut regelmäßig allein die Annahme einer individuell-konkreten Fahruntüchtigkeit im Sinne der Strafvorschrift des § 316 StGBnicht begründen kann, folgt schon daraus, dass der Gesetzgeber mit der am 1. August 1998 in Kraft getretenen Neufassung des § 24a Abs. 2 StVG einen bußgeldbewehrten Ordnungswidrigkeitstatbestand geschaffen und als Gefährdungstatbestand ausgestaltet hat, für dessen Erfüllung das Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr lediglich „unter der Wirkung“ eines der in einer Anlage genannten berauschenden Mittel (unter anderem Cannabis, Heroin, Cocain), ausreicht, um dadurch die Ahndungslücke zu beseitigen, die sich zuvor daraus ergeben hatte, dass eine Verurteilung nach den strafrechtlichen Bestimmungen der §§ 315c316 StGB in Ermangelung des Vorliegens bestimmter Grenzwerte für die Annahme absoluter Fahruntüchtigkeit bei Drogenkonsum nur möglich ist, wenn eine Fahruntüchtigkeit auf sonstige Weise festgestellt und nachgewiesen werden kann (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 8. Februar 1996 für ein Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes in BT-Drs. 13/3764, S. 4, 5; BGH, a.a.O.). Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass für eine Verurteilung wegen einer Straftat nach § 316 StGB der Nachweis der Fahruntüchtigkeit sich nicht allein schon aus einem positiven Blutwirkstoffbefund ergeben kann, denn die hinsichtlich des Ordnungswidrigkeitstatbestands des § 24a Abs. 2 StVG als ausreichend eingeführte Nachweisbarkeit irgendeiner Wirkung der in der Anlage aufgeführten Drogen, kann nicht zugleich die Grenze für die Erfüllung strafbaren Verhaltens unter anderem nach § 316 StGB darstellen. Andernfalls wäre die Einführung des Gefährdungstatbestands in § 24a Abs. 2 StVG überflüssig gewesen, während tatsächlich nach dem Willen des Gesetzgebers ein derartiges Stufenverhältnis bestehen soll, dass § 24a Abs. 2 StGB als Auffangtatbestand die Regelungen der §§ 315c316 StGB wegen der dort bestehenden Beweisschwierigkeiten ergänzt (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 8. Februar 1996, a.a.O., S. 5: „Die geltenden Regelungen der §§ 315c316 StGB bleiben unberührt. Die Bußgeldvorschrift des § 24a StVGdient als Auffangtatbestand zu den Strafvorschriften. Ergibt sich im Einzelfall, daß Fahruntüchtigkeit vorliegt, so richtet sich die Beurteilung der Tat nach den Strafvorschriften (§ 21 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten)“.

Für die Annahme einer Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 316 StGB bedarf es deshalb außer einem positiven Blut-Wirkstoffbefund regelmäßig weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen (BGH, a.a.O., m.w.N.).

Ob ein gegenüber den Grenzwerten für die Annahme einer Wirksamkeit im Sinne des § 24a Abs. 2 StVG erhöhter Blut-Wirkstoffbefund die Annahme einer Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 316 StGB erleichtert, ist in Rechtsprechung und Literatur ungeklärt. So kann ein hoher Wirkstoffbefund im Einzelfall die Annahme einer Fahruntüchtigkeit zwar erleichtern. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen keine strenge Korrelation zwischen der Höhe der Konzentration einer Droge bzw. deren Abbauprodukten im Blut und der Wirkung gibt, so das keine Kalkulierbarkeit des Verhältnisses zwischen Wirkstoffdosis und Wirkungsstärke sowie Wirkungsverlauf besteht (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 8. Februar 1996, a.a.O.). Deshalb befreit eine über dem Grenzwert für die Annahme einer Wirksamkeit im Sinne von § 24a Abs. 2 StVG liegende Wirkstoffkonzentration nicht davon, in einem Urteil darzulegen, warum im konkreten Einzelfall festgestellte Werte im Sinne einer konkreten Dosis-Konzentrations-Wirkungsbeziehung als „hoch“ anzusehen sein sollen (vgl. BGH, a.a.O.).

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 2. Strafsenat,

2 Rev 8/18, 2 Rev 8/18 – 1 Ss 1/18

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